Zwischen Webstühlen und Musterbüchern
Einst war Greiz eine Stadt der Millionäre, denn hier wurden Textilien produziert, die in die ganze Welt exportiert wurden. Von dieser industriellen Hochkultur ist kaum mehr etwas geblieben. Die Interessengemeinschaft Technische Zeitzeugen e.V. aus Greiz hat es sich auf die Fahnen geschrieben, der Blütezeit der Vogtländischen Industrie ein Denkmal zu setzen, indem sie Maschinen und Technik sowie alles, was damit zu tun hat, sammelt, erforscht und erhält.
„Wir wollen ins Bewusstsein rufen, dass in der hiesigen Industrielandschaft viele Innovationen entwickelt worden sind. Die einstige Textilindustrie in Greiz hatte eine bedeutende Rolle am Weltmarkt und darf nicht in Vergessenheit geraten“, sagt der stellvertretende Vereinsvorsitzende Olaf Schreiber. Dafür stehe der Verein.
Vieles sei einfach entsorgt und weggeworfen worden wie zum Beispiel ganze Container mit textilen Musterbüchern, ohne das über deren Bedeutung nachgedacht wurde. „Ende des 19. Jahrhunderts gab es in Greiz 12.409 Webstühle“, erzählt Schreiber.
Im Vereinshaus in der Fritz-Ebert-Straße lagern in einem Raum dicke Bücher. Es riecht staubig und muffig. „Diese Musterbücher haben wir aus einem Container gerettet“, sagt Schreiber. Sie beinhalten Stoffproben der Firma C. G. Weber Feustel. „Bis nach Indien wurden diese feinsten Stoffe geliefert. Greiz war führend in der Kammgarngewebe-Herstellung.“ Nebenan lagern riesige Kisten, in denen sich Stoffproben befinden, die einst an Interessenten verschickt wurden. „Die müssten alle gereinigt und für die Präsentation aufgearbeitet werden“, sagt Olaf Schreiber. Das Haus in der Fritz-Ebert-Straße Straße hat der Verein am 16. März dieses Jahres gekauft. „Auf Raten“, so Schreiber. „Wir haben es von der Firma Mela Sensortechnik Greiz zum Buchungswert bekommen. Sonst hätten wir es uns nicht leisten können.“ Aber auch die monatliche Rate zu zahlen, sei nicht immer leicht. Die Corona-Zeit habe es dem Verein schwer gemacht. „Keine Veranstaltungen. Kein Geld, das in die Spendenkasse fließt.“
Noch längst ist nicht alle Arbeit getan im Vereinshaus. Webstühle stehen im Erdgeschoss, die auf ihre Generalüberholung und ihren Aufbau warten. „Für einige Maschinen müssen wir gusseiserne Bauteile anfertigen lassen“, sagt Olaf Schreiber.
20 Mitglieder hat der Verein. „Aktiv tätig sind aber nur eine Handvoll davon“, sagt Konrad Wiedemann, der den Verein mit gegründet hat. „Ich wünsche mir, dass der Verein bestehen bleiben kann“, so der 80-Jährige. Das hänge natürlich von den Finanzen ab. Auch Sponsoren seien in diesen Zeiten rar gesät. „Wir brauchen dringend Unterstützer“, sagt Wiedemann. „Junge Mitglieder brauchen wir, die mit anpacken. „Solche Leute wie Torsten Scheler“, sagt Wiedemann.
„Ich bin Schlosser und habe im Vereinshaus die Installationen und Malerarbeiten vorgenommen“, sagt Torsten Scheler, der den Verein derzeit kommissarisch leitet. Zudem sei er für die Maschinen verantwortlich. In der ersten Etage sind bereits einige Räume ausstellungsfertig hergerichtet. „Zum Beispiel unser Strickzimmer“, sagt Olaf Schreiber.
Der Verein beschäftige sich aber nicht nur mit der Textilindustrie. Er sammle auch Gegenstände zur Greizer Brauereigeschichte und generell Maschinen und Technik, die in Greiz und Umgebung gefertigt wurden.
„Wir wollen erreichen, dass das industrielle Erbe der Region im Kollektivgedächtnis bleibt und der Erfindergeist von einst bewahrt oder gar wieder geweckt wird“, erklärt Olaf Schreiber. Dafür erforsche man auch die Zusammenhänge der Firmengeschichten.
Technische Instandsetzung von Maschinen
Die diversen alten Maschinen, die die Interessengemeinschaft Technische Zeitzeugen von Firmen übernommen hat und die sie nicht mehr unterbringen konnten, sind nicht immer in einem funktionsfähigen Zustand. „Manche Maschinen oder kleinere technische Geräte haben wir auch vom Sperrmüll gerettet“, erzählt Olaf Schreiber. „Oder von verstaubten Dachböden.“ Es sei klar, dass nicht mehr alles funktioniere.
„Wir wollen aber einen Handwebstuhl sowie eine Webmaschine wieder zum Laufen bringen und Stoffe produzieren können.“ Dazu müssen verschlissene Teile neu angefertigt werden. „Das kostet einiges“, sagt Schreiber. „Dafür würden wir im Falle der Wahl zum Verein des Jahres das Preisgeld verwenden.“ Aber auch die laufenden Kosten des Vereins seien nicht ohne. Eine monatliche Rate zur Abzahlung des Vereinshauses in der Fritz-Ebert-Straße sei zu entrichten. „Die coronabedingt ausgefallenen Veranstaltungen wie etwa das Greizer Winterdorf im letzten Jahr haben zu Einnahmeverlusten geführt.“ Mit einem Teil des Geldes wolle der Verein Verluste ausgleichen.
Quelle: OTZ vom 24.09.2021 Conni Winkler
Schreibe einen Kommentar
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.