Fest in Greiz verankert

Es seien vor allem zwei Säulen, auf denen der Theaterherbst-Verein stehe – sei es mit dem Festival im Herbst oder mit dem Jazzwerk im Frühjahr –, sagt der Vereinsvorsitzende Karsten Schaarschmidt. Und beide Säulen sind fest in Greiz verankert, denn es ist Dreh- und Angelpunkt des deutschlandweit wohl einmaligen Festivals.

Die erste Säule sind die Greizer selbst, denn ohne sie wären die Werkstätten schlichtweg nicht möglich, schließlich sind es jene Amateure, die dann auf der Bühne stehen und spielen. Ihr Selbstbewusstsein zu fördern, sei vom Jahr 1992 an Ziel gewesen, als die inzwischen verstorbene Publizistin Anna-Lydia Edingshaus von Laßberg das Festival ins Leben rief. Kunst und Kultur gegen Wendenachwirkungen

Das hatte auch mit der Greizer Geschichte zu tun, denn als Anna-Lydia Edingshaus von Laßberg 1991 auf einer Recherchereise die Stadt kennenlernte, war diese geprägt von den Nachwirkungen der Wende. Großes Misstrauen und tiefe Depression seien der Bonnerin in der einst florierenden Textilstadt begegnet, in der mit der Abwicklung der Greika Tausende über Nacht ihre Arbeit verloren hatten, schilderte sie im Buch „Honignebel“, in dem sie ihre Erfahrungen aufgeschrieben hat. Es sei auch darum gegangen, der Stadt und ihren Einwohnern Selbstbewusstsein wiederzugeben. Gegen die Depression wollte sie Kunst und Kultur stellen.

Auch wenn die Umstände inzwischen andere sind: „An der grundsätzlichen Ausrichtung hat sich nichts geändert“, sagt Schaarschmidt, auch wenn die Werkstätten mit Gastspielen ergänzt wurden, die aber nie der Mittelpunkt sind. Über Wochen und Monate üben die Teilnehmer Stücke ein, entwickeln sie oft selbst und finden so eine Art, sich selbst auszudrücken und Selbstbewusstsein zu entwickeln. „Häufig kommen die Spieler zu uns mit hängenden Schultern und gehen mit geradem Rücken“, sagt Schaarschmidt, der seit 18 Jahren Vereinsvorsitzender ist. „Wir wollen ihnen etwas fürs Leben mitgeben.“ Das gilt auch für die Ganzjahreswerkstatt – ein über das ganze Jahr verteiltes soziokulturelles Projekt – und das Jazzwerk etwa mit dem Werkstattorchester, das ebenfalls mit Amateuren besetzt ist.

Auch die zweite Säule ist tief in der Greizer Geschichte verankert, denn sie ist Greizer Geschichte. Bereits seit der Gründung sind immer wieder historische Gebäude Spielort von Jazzwerk und Theaterherbst. Gottesackerkirche, alte Industriehallen, der Gerichtssaal des Amtsgerichtes, die alte Post, der Bahnhof und sogar einmal die Weiße Elster, wie sich Schaarschmidt erinnert: „Es war Anfang der 2000er-Jahre. Das Stück basierte auf dem Genesis-Musical. Die Spieler standen teilweise mit Neopren-Anzug in der Elster. Man hat nichts gesehen und nichts“, sagt er lachend. „Deswegen ist die Veranstaltung bis heute bei uns als das ,Brummen in der Elster’ bekannt.“

Zwei Säulen, die tief in der Region verwurzelt sind: Diese Kombination hat schon öfter überzeugt und sorgte dafür, dass der Theaterherbst mehrfach ausgezeichnet wurde und mit Thüringer Kulturpreis, Kulturriese und dem Theaterpreis in der Kategorie Theaterförderpreis die drei wichtigsten Thüringer Kulturpreise sein Eigen nennt.

Geld für die Werkstätten

Sollte der Greizer Theaterherbst das Preisgeld gewinnen, dann soll es in die weitere Arbeit mit den Amateuren fließen. Es soll in die Werkstattarbeit gesteckt werden, wobei der Vorstand im Falle des Gewinns noch beraten will, in welche genau.

Allerdings ist es Karsten Schaarschmidt, dem Theaterherbst-Vorsitzenden, wichtig zu betonen, dass man sich natürlich sehr über den Sieg freuen würde, „da wir das Geld immer gut für die Arbeit gebrauchen können.“ Was aber auch für jeden anderen Greizer Verein gelte, denen man den Sieg daher ebenfalls gönnen würde.

„Jeder Verein verdient es, Verein des Jahres zu werden“, sagt Schaarschmidt. „Sie machen alle eine wichtige Tätigkeit, meistens im Ehrenamt. Das ist nicht hoch genug einzuschätzen“, betont er. Gerade in der Zeit nach der Pandemie, die für viele Vereine schwierig war – auch der Theaterherbst musste beispielsweise schon zweimal das Jazzwerk aussetzen – stünden alle Vereine vor großen Herausforderungen, die sie alle stemmten. „Ohne die Vereine würde die Gesellschaft sehr viel schlechter aussehen.“

Quelle: OTZ vom 07.10.2021 Tobias Schubert